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Belastungsfaktoren für Pflegeeltern
In der Pflegekinderhilfe sind unterschiedliche Akteure beteiligt. Daran gebunden sind Personen mit divergenten Motiven und Absichten. Diese pluralistischen Bestrebungen und Aufträge auf einen gemeinsamen Konsens zu bringen ist für alle Akteure eine Herausforderung. Besonders schwierig dabei ist, dass nicht alle daran beteiligten Personen einen rechtlich anerkannten Status haben, der sie befugt in ihrem jeweiligen Kontext auf rechtlich anerkannter Basis mitzuwirken. Auch werden nicht allen beteiligten Personen ihrem Auftrag entsprechend Befugnisse und mitwirkende Kompetenzen vom Gesetzgeber eingeräumt (vgl. Heilmann, S., Göttinger juristische Schriften,2013, S.104).
Daher werden zu den am meisten für das Pflegeverhältnis belastenden Faktoren die Personen analysiert, die den größten Unsicherheitsfaktor im System der Pflegekinderhilfe haben, die Pflegeeltern nämlich.
Die rechtliche und gesellschaftliche Anerkennung als soziale Familie wird in der Bundesrepublik Deutschland nur über das Adoptionswesen anerkannt. Die rechtliche Legitimation und Verantwortung von Elternschaft ist gebunden an die Trennung zwischen der elterlichen Sorge (§1626 Abs 1 Satz 1 und 2 BGB) und dem Institutionsrecht auf Familie (Art 6 Abs 1 und 2 GG).
Eine soziale Familie gilt nach dem Gesetzgebererst dann als Familie, wenn sie über einen längeren Zeitraum Familie gelebt hat und natürliche Bindungen entstanden sind.
Eine biologische Familie jedoch erhält aufgrund von Verwandtschaftsverhältnissen immer den vom Staat zu schützenden Status Familie. Nicht relevant ist bei der biologischen Verwandtschaft, ob eine Bindung entstanden ist. (vgl. Art 6 GG, Groß, G., 2004, S. 411)
Die elterliche Sorge sieht der Gesetzgeber in erster Linie als Pflicht gegenüber dem Kind. Diese Pflicht korreliert jedoch gleichzeitig inhaltlich mit der staatsgerichteten Instituionsgarantie des Elternrechtes (vgl. Groß, G., 2004, S. 412). Der Art 6 GG kann auch einer sozialen Familie, wie der Pflegefamilie, Bestandsschutz vor staatlichen Eingriffen gewähren (vgl. Groß, G., 2004,S. 411).
Jedoch erlischt dieser Schutz ab dem Zeitpunkt des Widerrufs der Herkunftsfamilie (vgl. Groß, G., 2004, S. 412). Verlangen Herkunftseltern die Herausgabe des Kindes, findet der Schutz der Familie keine Anwendung mehr, wenn die elterliche Sorge bei den Herkunftseltern bleibt, wie dies üblicherweise in Pflegeverhältnissen der Fall ist (vgl. Groß, G., 2004, S. 412).
Aus dieser rechtlichen Einschränkung für Pflegeeltern ergeben sich vielfältige Probleme. Den Pflegepersonen wird nämlich nur das Recht für die Ausübung der elterlichen Sorge über die Angelegenheiten des alltäglichen Lebens bis zum Widerruf eingeräumt (§ 1688 Abs 1 BGB).
Damit ist es kaum möglich die pädagogischen und familialen Aufgaben umzusetzen (vgl. Scheiwe, K. , et al. 2016, S. 16).
Wenn ein Kind für längere Zeit in Familienpflege lebt, haben die Pflegeeltern zwar das Recht, die Angelegenheiten des alltäglichen Lebens zu entscheiden und die Sorgeberechtigten (Eltern, Pfleger, Vormund) zu vertreten (vgl. § 1688 Abs 1 BGB). Dieses Recht findet jedoch bei weitreichenden Entscheidungen keine Relevanz.Auch haben Pflegeeltern keine Durchsetzungsbefugnis gegenüber den rechtlichen Sorgeberechtigten, selbst wenn es dem Wohl des Kindes dient, wenn die Inhaber der elterlichen Sorge etwas anderes erklären (vgl. § 1688 Abs 3 BGB).
Im Streitfall haben Pflegeeltern nur das Recht an den Verfahren beizuwohnen (vgl. Heilmann, S.,2013, S.104). Entscheidungsbefugnisse oder das Recht Anträge für das Kind zu stellen haben sie nicht. Vor dem Gesetzgeber gilt diese Elternschaft nur sekundär, wie eine passive Elternschaft, obwohl Pflegeeltern vollumfänglich ausgeübte Elternschaft übernehmen und für die Kinder eine wichtige Funktion in ihrem Leben darstellen (vgl. Scheiwe, et.al. 2016, S.6).
Die Biografiearbeit ist in der Pflegschaft ein zentrales Thema, das speziell für Pflegeeltern zu einer großen Belastung werden kann. Sie ist mit hohen Erwartungen an eine positive Hinwendung des in Pflege lebenden Kindes zu den Herkunftseltern verbunden. Gelingt dies nicht, kann sich dies negativ auf das Pflegeverhältnis auswirken (vgl. Helming, E., et. al., 2010, S. 525 ff).
Kinder, die in Pflege leben, haben nicht selten komplizierte Realitäten kennengelernt und zeigen Verhaltensauffälligkeiten, die die Pflegefamilie belasten und herausfordern. Manchen Kindern fällt es schwer ihre Gefühle für beide Familien zu ordnen. Dies kann zu Loyalitätskonflikten führen und spiegelt sich häufig in ambivalenten Gefühlen zur Herkunftsfamilie wider.
Biografiearbeit offenbart nicht nur positive vergangene Erfahrungen, sondern konfrontiert Kinder mit Enttäuschungen, Ablehnung und widersprüchlichen Realitäten, weil Informationen zurückgehalten oder ungenügend dargestellt werden (vgl.Schwebe, V. 2021, S. 28).
Pflegeeltern müssen die Reaktionen der Kinder auffangen und sich auf Besonderheiten und Prägungen einstellen. Nicht nur die häufig vorhandenen Verhaltensauffälligkeiten der Kinder fordern sie heraus, sondern der gesellschaftlicheund staatliche Druck und die Erwartungen stellen Belastungsfaktoren in der Pflegschaft dar, die sich nachteilig auf das Wohl der Kinder auswirken oder zu Abbrüchen in Pflegeverhältnissen führen können.
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Über die Studie Stabile Pflegeverhältnisse