Sie sind hier
Beispiele für Zuständigkeiten und Zuständigkeitswechsel
Themen:
Das Jugendamt der Stadt A bringt ein Kind in einer Pflegefamilie unter. Die leibliche Mutter des Kindes lebt ebenso wie die Pflegeeltern in A. Zuständig für alles (Finanzielles, Beratung und Hilfeplan) ist das Jugendamt A.
Das Jugendamt A will ein Kind in einer Pflegefamilie unterbringen, kann jedoch in A keine passende Familie finden und wendet sich an das Jugendamt B. Dort findet sich eine geeignete Pflegefamilie. A bringt das Kind dort unter und ist zuständig für alles, weil die leiblichen Eltern des Kindes in A leben.
Wann können sich diese Konstruktionen ändern?
Erste Möglichkeit:
Die Mutter zieht ein Jahr, nachdem ihr Kind in die Pflegefamilie vermittelt wurde in den Ort C.
C tritt nun in die Fußstapfen von A, übernimmt die örtliche Zuständigkeit und ist zuständig für Finanzen, Beratung und Hilfeplanung.
Zweite Möglichkeit:
Das Pflegekind lebt nun zwei Jahre in der Pflegefamilie und soll dort dauerhaft verbleiben. Jetzt tritt eine spezielle Regelung für Pflegekinder in Kraft. Dazu heißt es im § 86 Abs. 6 SGB VIII:
Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.
Nach zwei Jahren (nur bei Dauerpflege) wird also das Jugendamt zuständig, wo die Pflegeeltern leben. Dieses Jugendamt zahlt nun das Pflegegeld an die Pflegeeltern, sichert die Beratung und macht die Hilfeplanung. Dieses Jugendamt bekommt dann allerdings das Pflegegeld erstattet von dem Jugendamt, wo die leiblichen Eltern jetzt noch wohnen.
Dritte Möglichkeit
Die Pflegeeltern ziehen nach ein paar Jahren mit dem Pflegekind in einen anderen Ort. Nun wird dieses Jugendamt zuständig für alles: Pflegegeld, Beratung, Hilfeplanung. Wiederum bekommt dieses Jugendamt das Pflegegeld erstattet von dem Ort, an dem die Eltern des Kindes ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Bisherige Erfahrungen und neue Entwicklungen mit diesen Konstruktionen
Es zeigte sich, dass es immer wieder Schwierigkeiten bei Zuständigkeitswechseln der Jugendämter gab. Dies galt besonders dann, wenn das bisher zuständige Jugendamt Leistungen gewährt hatte, die das neue Jugendamt so fachlich nicht nachvollziehen und übernehmen wollte.
Beispiele:
1. Für die besonderen Aufwendungen einer Pflegefamilie für ein gehörloses Kind bekamen die Pflegeeltern ein um 150 € erhöhtes Pflegegeld. Das Kind war in die Familie durch das Nachbarjugendamt vermittelt wurde. Als nun nach zwei Jahren das Jugendamt am Wohnort der Pflegefamilie örtlich zuständig wurde, sah dieses Jugendamt keinen Bedarf für eine erhöhtes Pflegegeld und strich die 150 €. Im neuen Hilfeplan wurde ein erhöhter Bedarf nicht mehr erwähnt.
2. Eine Pflegefamilie, die ein Kind mit Behinderungen aufgenommen hat, wird von einem spezialisierten freien Träger beraten und betreut. Das Jugendamt hat mit diesem Träger eine entsprechende Vereinbarung ausgehandelt. Diese Vereinbarung beinhaltet u.a. Entlastungsangebote für die Pflegefamilie, Fortbildungen, Supervision, Gruppenarbeit und spezielle Beratung im Bereich der Behinderung ihres Pflegekindes. Das Kind lebt vier Jahre in der Pflegefamilie, als die Pflegefamilie umzieht.
Nun wird das Jugendamt am neuen Wohnort der Pflegeeltern zuständig und hat eine völlig andere fachliche Einschätzung des Bedarfes des Pflegekindes und der Pflegeeltern. Das Jugendamt ist der Meinung, dass es die Betreuung der Familie selbst übernehmen kann und über alle erforderlichen Qualitäten verfügt, so dass der Träger aus seiner Aufgabe entlassen werden kann. Aufgrund der unterschiedlichen Einschätzung sieht das neu zuständige Jugendamt auch keine Notwendigkeit der Übernahme des bisherigen Satzes des Pflegegeldes.
Diese beiden Beispiele zeigen die große Macht der Verwaltung und die Hilflosigkeit der Pflegeeltern. Natürlich sind solche Entscheidungen der Verwaltung auch über eine Verwaltungsklage durch den Personensorgeberechtigten - nicht durch die Pflegeeltern - anfechtbar. Bis vor kurzem gab es jedoch keine gesetzlichen Regelungen, durch die solches Verhalten infrage gestellt werden konnte. Außerdem war nicht jeder Personensorgeberechtigte bereit zu klagen.
Pflegeeltern, die bei der Vermittlung des Kindes mit dem zu dieser Zeit zuständigen Jugendamt besondere Vereinbarungen getroffen hatten, fühlten sich durch diese Regelung sehr enttäuscht und überhaupt nicht wert geschätzt. Im Gegenteil, sie fühlten sich gewissermaßen moralisch erpresst. Sie waren der Überzeugung, dass das Jugendamt nur so handeln konnte, weil es klar davon ausging, dass die Pflegeeltern deswegen das Pflegeverhältnis nicht beenden würden. Sie waren der Überzeugung, dass das neu zuständige Jugendamt auf die inzwischen gewachsenen Bindungen und das Verantwortungsgefühl der Pflegeeltern gegenüber dem Kind baute.