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Begriffserklärung

Was bedeutet "Ruhen der Elterlichen Sorge"

In der Praxis gibt es immer wieder Situationen, in denen leibliche Eltern noch das Sorgerecht haben, aber dieses Sorgerecht nicht mehr ausüben (können). Wer entscheidet nun für das Kind? Was muss getan werden, damit das Kind wieder juristisch vertreten werden kann?

Gerade in der Pflegekinderhilfe erleben wir, dass Mutter/Vater noch die Sorgeberechtigten sind, aber dieses Sorgerecht tatsächlich nicht mehr ausüben. Manchmal melden sie sich einfach nicht mehr bei Anfragen. Manchmal sind sie unbekannt verzogen. Manchmal haben sie jegliches Interesse am Pflegekind verloren. Manchmal sind sie psychisch oder körperlich nicht mehr in der Lage dazu. Was auch immer die Gründe sein mögen, Fakt ist: diese Eltern üben ihr Sorgerecht für ihr Kind nicht mehr aus. 

In einer solchen Situation wird oft darüber diskutiert, ob dieses ‚Nichtausüben‘ ein Anlass zum Sorgerechtsentzug ist, denn: „die Mutter (der Vater) schadet dem Kind ja eigentlich nicht – sie tun eben nur nichts“. 

Das Kind jedoch ist darauf angewiesen ist, dass sein Sorgerechtsinhaber "etwas tut" und bereit und in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen. Das schlichte ‚Nichtausüben‘ kann also durchaus problematisch werden, grundsätzlich schon, aber erst recht in Situationen, die eine wesentliche sorgerechtliche Entscheidung verlagen z.B. Operationen. Ein nicht ausgeübtes Sorgerecht ist eine Kindeswohlgefährdung. 

Bei Hindernissen zur Ausübung der Elterlichen Sorge besteht die Möglichkeit, dass das Familiengericht die Elterliche Sorge für ruhend erklären kann. Die elterliche Sorge wird also nicht entzogen, sondern für den Zeitpunkt, da Mutter oder Vater an der Ausübung verhindert sind, vom Familiengericht für ruhend erklärt und auf den anderen Elternteil oder - wenn dies nicht möglich ist- einen Vormund übertragen. Diese Ruhenderklärung kann dann, wenn die Eltern das Sorgerecht wieder ausüben können, ebenfalls durch das Familiengericht wieder aufgehoben werden.

Alle Personen, die ein berechtigtes Interesse haben, erst recht die Pflegeeltern, können das Familiengericht auf die entstandene Situation aufmerksam machen und um Klärung der Angelegenheit für das Pflegekind bitten. Es ist sehr sinnvoll, vorab mit dem betreuenden Jugendamt über die Angelegenheit und die Planung zu sprechen und möglichst gemeinsam zu handeln. 

Die rechtlichen Bedingungen zum Ruhen des Sorgerechts finden sich in Paragrafen des BGB.

§ 1673 Ruhen der elterlichen Sorge bei rechtlichem Hindernis

(1) Die elterliche Sorge eines Elternteils ruht, wenn er geschäftsunfähig ist.

(2) Das Gleiche gilt, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Die Personensorge für das Kind steht ihm neben dem gesetzlichen Vertreter des Kindes zu; zur Vertretung des Kindes ist er nicht berechtigt. Bei einer Meinungsverschiedenheit geht die Meinung des minderjährigen Elternteils vor, wenn der gesetzliche Vertreter des Kindes ein Vormund oder Pfleger ist; andernfalls gelten § 1627 Satz 2 und § 1628.

§ 1674 Ruhen der elterlichen Sorge bei tatsächlichem Hindernis

(1) Die elterliche Sorge eines Elternteils ruht, wenn das Familiengericht feststellt, dass er auf längere Zeit die elterliche Sorge tatsächlich nicht ausüben kann.
(2) Die elterliche Sorge lebt wieder auf, wenn das Familiengericht feststellt, dass der Grund des Ruhens nicht mehr besteht.

§ 1675 Wirkung des Ruhens

Solange die elterliche Sorge ruht, ist ein Elternteil nicht berechtigt, sie auszuüben.

§ 1678 Folgen der tatsächlichen Verhinderung oder des Ruhens für den anderen Elternteil

(1) Ist ein Elternteil tatsächlich verhindert, die elterliche Sorge auszuüben, oder ruht seine elterliche Sorge, so übt der andere Teil die elterliche Sorge allein aus; dies gilt nicht, wenn die elterliche Sorge dem Elternteil nach § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zustand.

(2) Ruht die elterliche Sorge des Elternteils, dem sie gemäß § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zustand, und besteht keine Aussicht, dass der Grund des Ruhens wegfallen werde, so hat das Familiengericht die elterliche Sorge dem anderen Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

Letzte Aktualisierung am: 
13.09.2023

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