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Anrechte bzw. Ansprüche bei der Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe im SGB VIII

Pflegeeltern haben einen rechtlichen Anspruch auf Beratung und Unterstützung.

Im Paragrafen 37.2 SGB VII wird ein eigenständiger Anspruch auf Beratung und Unterstützung der Pflegeeltern festgehalten. Die fallzuständigen Jugendämter sind somit verpflichtet, eigene, oder auch externe Ressourcen, (z.B. durch freie Träger) den Pflegeeltern ortsnah zur Verfügung zu stellen. Weiterhin wird durch diesen rechtlichen Anspruch den Pflegeeltern auch das Wunsch- und Wahlrecht nach §5 SGB VIII eingeräumt, was Ihnen die Möglichkeit der Wahl zwischen verschiedenen freien Trägern und Möglichkeiten gibt, wenn dadurch nicht unverhältnismäßige Mehrkosten entstehen. In der Praxis werden Mehrkosten von bis zu 20 % noch als angemessen angesehen. 

Pflegeeltern können beraten werden durch
1.    örtlich zuständiges Jugendamt, 
2.    Jugendamt vor Ort,
3.    Pflegekinderdienst eines freien Trägers.

Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zur Verwandtenpflege vom Juni 2014

Die Pflegepersonen haben vor der Aufnahme des Kindes oder Jugendlichen und während der Dauer des Pflegeverhältnisses einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung gegenüber dem öffentlichen Jugendhilfeträger (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dies gilt auch in den Fällen, in denen für das Kind oder den Jugendlichen weder Hilfe zur Erziehung noch Eingliederungshilfe gewährt wird oder die Pflegepersonen nicht der Erlaubnis zur Vollzeitpflege nach § 44 SGB VIII bedürfen (§ 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Letzteres ist der Fall, wenn Verwandte, wie etwa die Großeltern, ein Kind in Pflege nehmen (s. u. 1.4). In diesen Fällen bestehen Pflegeverhältnisse oft ohne dass eine Hilfe zur Erziehung nach § 33 SGB VIII beansprucht bzw. gewährt wird.

Wie alle Leistungsberechtigten haben Pflegeeltern gemäß § 5 Abs. 1 SGB VIII das Recht, zwischen Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Beratung und Unterstützung zu äußern. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII ist das Jugendamt verpflichtet, sie auf dieses Recht auch hinzuweisen. Begrenzt ist das Wunsch- und Wahlrecht allein dadurch, dass keine unverhältnismäßigen Mehrkosten6 entstehen dürfen, wenn der Wahl gefolgt wird (§ 5 Abs. 2 SGB VIII).

Lebt das Kind oder der Jugendliche bei Pflegepersonen außerhalb des Bereichs des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, muss dieser eine ortsnahe Beratung und Unterstützung sicherstellen (§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). In jedem Fall erscheint es wichtig, dass das Jugendamt dafür sorgt, dass die Personen, die Beratung und Unterstützung leisten, wenn möglich Erfahrung mit den besonderen Bedarfslagen bei der Verwandtenpflege haben, sich jedenfalls darauf einstellen. 

Arbeitet die Pflegefamilie schon länger vertrauensvoll mit einem freien Träger vor Ort zusammen, erscheint es vor diesem Hintergrund zur Sicherstellung der Hilfekontinuität geboten, auch nach einem Zuständigkeitswechsel den Pflegeeltern Unterstützung und Beratung durch denselben freien Träger anzubieten. Bei Gewährung von Hilfen zur Erziehung sollte in den Hilfeplan aufgenommen werden, welcher freie Träger die Beratungsleistung erbringt.

Dann ist gemäß § 37 Abs. 2a SGB VIII die Kontinuität der Beratungsleistung durch den freien Träger gesichert.
Die Beratung und Unterstützung der Pflegefamilie gemäß § 37 Abs. 2 SGB VIII beinhaltet neben der sozialpädagogischen Begleitung der Pflegepersonen (s. u. 3.) auch die Aufklärung über deren gesetzlichen Rechte und Pflichten.

Verwandte Pflegepersonen oder solche aus dem sozialen Umfeld der Familie, die Kinder oder Jugendliche bislang ohne Unterstützung durch das Jugendamt betreut haben, werden zunächst über die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen des Jugendamts und über die damit verbundenen Umstände und Prozesse – bspw. die Hilfeplanung und finanzielle Unterstützung – aufgeklärt. Sie werden über die entsprechenden Vorschriften aus dem SGB VIII insbesondere die für die Vollzeitpflege allgemein geltenden §§ 27, 33, 35a, 36, 37, 39, 40, 41 und 44 SGB VIII informiert. Ergänzend oder alternativ können aber auch andere Jugendhilfeleistungen etwa nach §§ 16 ff., 22 ff. und 27 ff. SGB VIII von Bedeutung sein. Darüber hinaus kommen Sozialleistungsansprüche nach SGB II und XII in Betracht. Auch muss ggf. an rechtliche Informationen zur elterlichen Sorge (§§ 1630 ff., 1666, 1688 BGB) und zum Umgang (§§ 1684 f. BGB) gedacht werden.

Auszug aus ‚Anspruch der Pflegepersonen auf Beratung“ Seite 5

Der Hilfeplan und seine Bedeutung für die Pflegeeltern und das Pflegekind

Der Hilfeplan wird im § 36 als Methode der sozialen Verwaltungsarbeit vorgeschrieben. Personen, die an der Durchführung der gewährten Hilfe z.B. Vollzeitpflege beteiligt sind, sind an der Aufstellung und der Fortführung des Hilfeplans zu beteiligen. Das Gesetz spricht von „der Hilfe durch andere Personen“. Bei der Vollzeitpflege sind damit selbstverständlich auch die Pflegeeltern gemeint.

In der Praxis bedeutet dies, dass sie regelmäßig zu den Hilfeplangesprächen eingeladen werden, dass mit ihnen über die Ziele der Hilfe und über die Alltagsbewältigung gesprochen wird und dass sie ebenfalls das Protokoll der Hilfeplangespräche erhalten. 

Fortführung des Hilfeplanes

Die Fortführung des Hilfeplanes bedeutet die Beschreibung eines Entwicklungsprozesses des Pflegekindes in der Pflegefamilie.

Hier wird dargestellt, 

  1. welche Entwicklungsschritte das Kind gemacht hat,
  2. wie und ob es eine Veränderung der familiären Situation der Herkunftsfamilie gegeben hat.
  3. Überprüfung bisheriger Vereinbarungen,
  4. evtl. neue Ziele aufgrund der Entwicklungsschritte des Kindes, neue zeitgemäße Vereinbarungen z.B. Therapien, andere Schulform, veränderte Besuchskontakte, familienunterstützende Hilfen (für die Pflegefamilie) etc.

Hilfen, die mit Kosten verbunden sind müssen zeit- und zielorientiert beschrieben werden – also: wie lange wird diese Hilfe notwendig sein, wer kann sie leisten, wie hoch werden die Kosten sein und welches Ziel soll mit dieser Hilfe erreicht werden.

Regelmäßiger Bericht

Sehr hilfreich für das Verständnis der Entwicklung des Kindes ist ein regelmäßiger Bericht der Pflegeeltern über die Zeit zwischen den Hilfeplangesprächen. Dieser Bericht wird dann dem Hilfeplanprotokoll angehängt und verdeutlicht so die Entwicklung des Kindes aus der Sicht der Pflegeeltern. Meist ist ein solcher Bericht umfänglicher und beschreibt das Kind genauer, als wenn die Entwicklung allein aus mündlichen Berichten beim Hilfeplangespräch selbst zusammengestellt wird. Für die meisten Profi-Eltern ist ein solcher Bericht Pflicht. 

Art und Weise der Beschreibung in einem Hilfeplan

Mir sind aus der Praxis sehr unterschiedliche Hilfepläne bekannt. Manche sind sehr kurz, beschreiben kaum etwas. Das Kind und sein Umfeld sind hier nicht zu erkennen. 

Manche Hilfepläne orientieren sich am Defizit, beschreiben was das Kind nicht kann oder „immer“ noch nicht kann und welche Probleme es macht. Hier wird das Kind aus einer Wunschvorstellung der Erwachsenen heraus beschrieben und an Mängeln gemessen. Eine schlechte Basis für die Hoffnung auf Entwicklung und Eigenständigkeit – auch für das Kind.

Das Gegenteil, nämlich die Beschreibung eines „Traum“-Kindes, ist ebenfalls nicht hilfreich. Eine solche Beschreibung hemmt den Blick und lässt reale Probleme nicht mehr zu. Sie verkennt auch die Bedürfnisse des Kindes und seiner Pflegefamilie. Manchmal explodieren solche Familien wie ein Topf unter Hochdruck – und alle wundern sich wieso. 

Die Pflegeeltern sollten sich das Recht nehmen, in den Hilfeplangesprächen die Realität zu schildern, offen zu sein, nicht den Mut und die Hoffnung zu verlieren und sich nicht eingeschüchtert zu fühlen. Pflegeeltern sind ein Teil eines TEAMS um das Kind herum. Sie sind nicht allein verantwortlich für alles und sollten auch die Verantwortung der anderen Erwachsenen um das Kind herum einfordern.

Das kann so weit gehen, dass diese anderen Erwachsenen ebenfalls zum Hilfeplangespräch eingeladen werden und dort ihr Wissen um das Kind und ihre Vorstellungen von seiner Entwicklung und den notwendigen Hilfsmöglichkeiten anbringen können. Dies ist für Pflegeeltern oft eine große Hilfe und sie sollten sich dieser Hilfe versichern.

Der Hilfeplan sollte auch einmal die Position der Pflegefamilie für das Kind beschreiben. Hat das Kind sich integriert? Ist die Pflegefamilie seine Familie geworden? Sind die Pflegeeltern die emotionalen Eltern „Mama und Papa“ für das Kind? 

Wenn dies so im Hilfeplan festgehalten und beschrieben wurde, hat das auch Auswirkungen auf nachfolgende Entscheidungen z.B. auf Herausgabeverlangen der Herkunftseltern, veränderte Besuchskontakte, Namensänderungen etc. 

In dieser Hinsicht denke ich auch besonders an die Zeit der Pubertät, in der die Pflegefamilie sich in einer Krise befindet. Es gibt neue heftige Übertragungen auf die Pflegeeltern. Diese halten das alles manchmal nicht mehr aus, brauchen Luft. Sie möchten sich von dem Jugendlichen nicht verabschieden, wollen weiter seine Familie sein, haben aber nur noch wenig Kraft. Hier kann räumliche Trennung (z.B. durch eine Internatsunterbringung während der Schulzeit) als familienstützende Maßnahme angedacht werden. 

Das Pflegekind ist in einer solchen Situation einem leiblichen Kind gleich zu stellen. Nur weil es Pflegekind ist, muss es nicht seine – wie ja in den Hilfeplänen beschrieben – Familie verlieren. Eine räumliche Trennung muss kein Abbruch sein. Sie kann - im Gegenteil - die Pflegefamilie als Familie für den Jugendlichen erhalten. 

In den Hilfeplan gehören auch nachfolgende Hilfen für den Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen und die Pflegeeltern. Die Unterstützung bei der Verabschiedung ist von vielen jungen Leuten und Pflegeeltern gewünscht und vermisst worden.

Der ideale Hilfeplan verdeutlicht das Heranwachsen des Kindes/Jugendlichen als Prozess, in dem alle Beteiligten eine Rolle in einem Team spielen. Alle Beteiligten tragen und übernehmen Verantwortung (Herkunftseltern, Vormund, Pflegeeltern, Sozialarbeiter, Lehrer, Therapeuten, Ärzte etc.) und zeigen diese Verantwortung durch gemeinsame Vereinbarungen und Verantwortungsbereiche. 

§ 37 2a SGB VIII erklärt ausdrücklich, dass die Ziele der Leistungsgewährung (Vollzeitpflege) im Hilfeplan zu dokumentieren sind. In diese Dokumentation hinein gehört auch der vereinbarte Umfang der Beratung der Pflegeeltern, die Höhe der laufenden Leistungen (Pflegegeld) und jedwede Art und Weise der Zusammenarbeit zur Erreichung des Zieles. 

Die Bedeutung von § 37 Abs. 2a SGB VIII liegt in
  • Der Dokumentation der Leistungen im Hilfeplan 
  • Der Abweichung von den dokumentierten Modalitäten nur bei einer Änderung des Hilfebedarfs 
  • Solange sich der Bedarf des Kindes oder der Pflegeeltern an Beratung und Unterstützung nicht verändert, dürfen die Leistungen für Pflegefamilien nicht beschränkt werden
Letzte Aktualisierung am: 
04.09.2018

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