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Frage und Antwort

Absicherung des Pflegeverhältnisses

Wir sind Pflegeeltern und möchten uns gerne juristisch absichern, damit wir uns gegenseitig vertreten können, wenn einem von uns was passiert. Macht es Sinn, eine Vorsorgevollmacht mit Sorgerechtsverfügung in Hinblick auf unser Pflegekind zu erstellen?

Pflegeeltern sind in einer verzwickten rechtlichen Situation. Einerseits lebt das Kind bei ihnen und die Pflegeeltern geben ihm Familie und ein Zuhause, andererseits haben Pflegeeltern nur die sogenannte Alltagssorge. Alltagssorge bedeutet, dass sie die rechtlichen Dinge in Vertretung des Personensorgeberechtigten entscheiden dürfen, die immer wieder im Alltag zu entscheiden sind z.B. Besuche bein Arzt, Teilnahme an Elternsprechtagen der Schule, Ferienaufenthalte, die alltägliche Erziehung, etc - also alles Entscheidungen, die zum Funktionieren des Alltags notwendig sind.

Alle rechtlichen Entscheidungen, die die Zukunft des Kindes mit berühren, unterliegen nicht der Alltagssorge, sondern sind Grundentscheidungen des Personensorgeberechtigten. Dazu gehören z.B. die Aufenthaltsbestimmung (wo lebt das Kind), Anmeldungen in Kita und Schule, jeder gesundheitliche Eingriff in den Körper (Impfungen, Operationen etc. weil hier bei ein möglicher Schaden für das Kind nicht ausgeschlossen werden kann). Dazu gehören weiterhin: Therapien, Verschreibung von Psychopharmaka, Unterschrift unter Ausbildungsverträge, usw. usw. Schauen Sie doch mal auf unsere Internetseite, dort haben wir verschiedene Referate zu diesem Thema. Manche Pflegeeltern sind auch gleichzeitig Vormund ihres Pflegekindes. Diese haben dann die Rechte und Pflichten eines Vormundes und können über alle rechtlichen Fragen entscheiden. Die Vormundschaft muss aber extra übertragen werden und ist unabhängig von einem Status als Pflegeeltern.

Sie fragen nach der Situation, in der einer der Pflegeeltern nicht mehr für das Kind sorgen könnte, der andere Teil der Pflegeeltern aber weiterhin für das Kind da sein nöchte.

In einer solchen Situation sind die Pflegeeltern rechtliche verpflichtet, das Jugendamt über die Veränderung in ihrer Familie zu informieren, Der Tod eines Pflegeelternteils, Scheidung, Trennung etc. sind wesentliche Veränderungen im Leben des Pflegekindes, die zum Schutz des Kindes dem Jugendamt mitgeteilt werden müssen. Das Jugendamt muss sich bei solch großen Veränderungen mit dem Sorgeberechtigten des Kindes und den Pflegeeltern zusammensetzen, um die nun veränderte Situation des Kindes genau betrachten zu können. Ist ein Pflegeelternteil weiterhin bereit, das Kind bei sich zu versorgen, dann muss das Jugendamt die Geeignetheit dieses Lösung für das Kind überprüfen und der Personensorgeberechtigte eine entsprechende Entscheidung fällen.

Es obliegt also rechtlich gesehen nicht dem Pflegeelternteil, ob das Kind weiterhin dort verbleibt. Eine Sorgerechtsverfügung oder ähnliches würde nichts nützen, da die Pflegeeltern nicht das Sorgerecht besitzen und daher auch nicht darüber verfügen können. Ob das Kind bei Wegfall eines Pflegelternteils bei dem verbleibenden Pflegeelternteil bleiben kann, liegt zuerst einmal an der Entscheidung dieses Pflegeelternteils selbst, ob er oder sie auch weiterhin bereit sind, dass Kind in der Familie zu behalten und es allein schaffen zu können und liegt zum Zweiten darin, ob dies dem Wohl des Kindes entspricht und der Personensorgeberechtigte dies auch so sieht. Ein weiterer Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie lässt sich also nicht im Vorhinein klären, sondern wird sich erst dann entscheiden lassen, wenn der entsprechende Fall eintreten würde.

In der Praxis haben wir die Erfahrung gemacht, dass Pflegekinder bei Trennung, Scheidung der Pflegeeltern oder Tod eines Pflegeelternteils in ihren persönlichen Befindlichkeiten und Bindungen gesehen werden und eigentlich so wie leiblichen Kinder der Pflegeeltern behandelt werden. Wie gesagt, die neue Lösung muss dem Wohl des Kindes entsprechen. Tut sie das, wird das Kind in der Pflegefamilie verbleiben. Natürlich haben auch alleinerziehende Pflegeeltern den gleichen rechtlichen Status wie Pflegeeltern in Partnerschaft. 

Nochmal kurz zusammengefasst:

Eine Vorsorgevollmacht und Sorgerechtsverfügung können nur die sorgeberechtigten Eltern erstellen. Pflegeeltern haben gem. § 1688 BGB nur die Alltagssorge, um denn Alltag managen zu können. Grundentscheidungen mit Zukunftsperspektiven obliegen ausschließlich dem Sorgeberechtigten. Dazu zählt natürlich auch eine Sorgerechtsverfügung.

Letzte Aktualisierung am: 
23.02.2022

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